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Tipps rund ums Altenheim

Das Philippi'sche-Armen-Asyl von 1902 in Euerdorf

IndustrialisierungDas lange 19. Jahrhundert (von 1789 bis 1914) hebt die Feudalordnung schrittweise auf, forciert die industrielle Revolution und führt zu einem schnellen Anstieg der Bevölkerung. Trotz wirtschaftlicher Erfolge bleibt dem Bürgertum die politische Mitsprache verwehrt. Zudem gelingt es nicht, die anschwellende soziale Frage zu lösen. Neben Kirche und Staat fühlen sich vermögende Privatleute wie Michael Josef Philippi verpflichtet, die zumeist miserablen Lebensbedingungen für Arme und Bedürftige zu verbessern.

Am 20. April 1812, noch zur Zeit der napoleonischen Katastrophe in Russland und rund 60 Jahre vor der Reichsgründung, kommt Michael Josef Philippi im unterfränkischen Markt Euerdorf als Sohn des wohlhabenden Amtsarztes Thaddäus Philippi zur Welt. Im Laufe seines Lebens erwirbt der in Würzburg sehr erfolgreich tätige Kaufmann ein bedeutendes Vermögen, das infolge mehrerer Schicksalsschläge ohne leibliche Erben bleibt. Das im Seniorenheim von Euerdorf erhaltene Grabmal seiner Tochter Carolina, gefertigt vom Bildhauer Michael Arnold aus Bad Kissingen im klassizistischen Stil, bezeugt bis heute seinen Schmerz über den Verlust der Familie. 1888 verfügt er, dass sein Nachlass in Höhe von 250.000 Goldmark (etwa 2,5 Millionen Euro) in ein vor Ort zu errichtendes Armenasyl fließen soll. Hochbetagt verstirbt der Kaufmann am 29. April 1896 in Würzburg.

Jakob PhilippiDer renommierte Architekt Carl Krampf (1863-1910), der alleine mit 50 Bauten seine Heimatstadt Bad Kissingen unverwechselbar geprägt hat (Villen, Russisch-Orthodoxe Kirche, neue Synagoge, Wittelsbacher Turm), plant den inzwischen unter Denkmalschutz stehenden Neubau im repräsentativen Gründerzeitstil. 1902 wird das Gebäude am Buß- und Bettag feierlich eingeweiht und seiner für den hiesigen Marktflecken wichtigen Bestimmung übergeben: Mehr als 20 für ihre Zeit überaus hell, großzügig und funktional gestaltete Wohnräume gewähren alten und verarmten Menschen ein neues Zuhause. Ãœber die Versorgung der Bewohner hinaus obliegt der Stiftung auch die Armenspeisung in Euerdorf.

Ihrem Ursprung und Anliegen entsprechend widmen sich neun Jahrzehnte lang die Würzburger Schwestern der Kongregation des Erlösers der Betreuung und Pflege der Heimbewohner in Euerdorf. Im Angesicht der einsetzenden Industrialisierung und zunehmenden Globalisierung zielt die schon 1866 vom Papst anerkannte Gemeinschaft neben der Unterstützung hilfsbedürftiger Kinder, Armer und Alter auf „die Verpflegung armer Kranker“ (Mutter Alfons Maria Eppinger, 1814-1867). Die allseits in Unterfranken geachteten Schwestern leben und wirken bis 1988 im Haus.

GeldentwertungDie beiden nachkriegsbedingten Währungsreformen − mit dramatischer Einführung der Rentenmark 1923 und der Deutschen Mark 1948 − schmälern das Vermögen der Stiftung erheblich. Viel gefährlicher wird ihr aber der gierige deutsche Nationalsozialismus, der kurzerhand versucht, die Stiftung zu übernehmen und aufzulösen. Ab 1936 dient das Armenasyl als Distriktkrankenhaus, nur drei Zimmer mit zwölf Plätzen können noch für die lästige Altenpflege genutzt werden. Ausgestattet mit einem zeitgemäßen Operationssaal versorgt das Spital 1961 immerhin fast 300 Patienten. Erst 1966 tritt mit dem Ende des Krankenhausbetriebes wieder die Pflege alter und hilfsbedürftiger Menschen in den Vordergrund. Nach dem schmerzlich empfundenen Weggang der Würzburger Schwestern Ende der achtziger Jahre und kurzer ehrenamtlicher Zeit in Eigenregie führt der Caritasverband ab 1994 das sichtlich in die Jahre gekommene Seniorenheim. 1996 gründet sich ein eigener aktiver Förderverein. Die Stiftung legt 1997 den Betrieb in die Hände von Gertie Martin-Schnapp und Manfred Schnapp. Seit Abschluss der Um- und Ausbauarbeiten 2001 bietet das modern und freundlich eingerichtete Seniorenheim − ganz im Philippi'schen Sinn − Platz für insgesamt 38 Bewohner.

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